Katholischer Glaube: Leben und Wahrheit in Fülle
Veröffentlicht: 28. Juni 2011 Abgelegt unter: BIBEL bzw. liturgische Lesungen, Der Hl. Geist in Bibel + Kirche Ein KommentarDie Kirche ist der „fortlebende Christus“ und ein Werk des Heiligen Geistes
Alle Jahre wieder hören wir dasselbe Lied, genauer gesagt Klagelied: sobald von vatikanischer Seite ein Wort ertönt, aus dem hervorgeht, daß die katholische Kirche als einzige im Vollsinn „Kirche“ ist, die anderen sog. „Kirchen“ jedoch – genau genommen – allenfalls kirchenähnliche „Gemeinschaften“, dann ertönt ein Aufschrei allenthalben, nicht etwa nur von protestierenden Protestanten, sondern auch von „ökumenisch“ gesinnten Katholiken, zumal von vielen Theologen.
Dabei vergessen diese Kritiker, daß sich die zahllosen protestantischen Konfessionen selbst keineswegs als „Heilsinstitution“ betrachten, daß sie also ein ganz anderes Selbstverständnis vertreten als die kath. Kirche, die sich als „Ursakrament“ oder „Grundsakrament“ ansieht und somit als Vermittlerin jenes Heiles wahrnimmt, das von Christus kommt und vor allem in den 7 Sakramenten wirksam wird.
Wie wenig sich der Protestantismus selber als „Kirche“ versteht, läßt sich auch an vermeintlichen Kleinigkeiten buchstäblich „ablesen“. Eine der umfangreichsten und angesehensten evangelischen Bibel-Konkordanzen ist die großformatige „Elberfelder Bibelkonkordanz“ mit fast 1900 Seiten im Kleindruck, erschienen im Brockhaus-Verlag (Wuppertal).
Es gibt kaum ein Alltagswort (vom „Platzregen“ bis zum „Käuzchen“), das man dort entbehren müßte, doch den Ausdruck „Kirche“ sucht man vergebens. Offenbar wird „Kirche“ für Protestanten erst dann interessant, wenn die kath. Kirche diesen Begriff für sich selbst beansprucht.
Nun gibt es nicht wenige Katholiken, zumal in konservativen Kreisen, die sich relativ innig zur Orthodoxie hingezogen fühlen und ernsthaft die These vertreten, die römische Kirche sei quasi der westliche Teil der Gesamtkirche Christi – und die orthodoxe Kirche sei ihr östlicher Teil (oder „Lungenflügel“).
Demnach hätte Christus also wohl einen Kirchenverband in zwei Teilen gegründet oder gar zwei Kirchen, die zwar getrennt, aber auf einer höheren Ebene doch wiederum vereint sind. Solche Vorstellungen sind biblisch und dogmatisch gesehen aber unsinnig.
Wenngleich nicht bestritten werden kann, daß die orthodoxen Konfessionen dem katholischen Glauben – zumal in der Sakramentenlehre – sehr viel näher stehen als die protestantischen Konfessionen, so ändert dieser unterschiedliche „Entfernungsgrad“ nichts an der grundlegenden Tatsache, daß die Orthodoxie keineswegs eine Stiftung Christi ist, sondern eine vor ca. 1000 Jahren erfolgte Abspaltung von der Kirche des HERRN.
Warum sind wir Christen?
Weil wir uns auf die Zusage Christi verlassen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben in Fülle.“ (Joh.10,11)
Dazu gehört nicht allein ein gelingendes Dasein im Diesseits, sondern vor allem die Verheißung ewigen Lebens im Jenseits: dort werden wir einst das Leben in seiner ganzen Fülle erfahren, weil wir in GOTT die Quelle des Lebens schauen.
Warum sind wir Katholiken?
Weil zur Fülle des Lebens auch die Fülle der Wahrheit gehört.
In Joh. 20,31 heißt es, daß wir „durch den Glauben das Leben haben“.
Der Glaube ist die Annahme der Wahrheit Gottes, das JA zur „Offenbarung“, zur Selbstmitteilung Gottes durch die Propheten des Alten Bundes und besonders durch Christus, seinen eingeborenen Sohn.
„Der Glaube kommt von Hören“, wie das bekannte Apostelwort erklärt – also nicht vom Fühlen oder rein menschlichen Denken; das sind nur Begleiterscheinungen. Entscheidend ist unser Hören auf Gottes Wort, auf seine Selbstoffenbarung in Christus, die uns die Kirche in Wort und Sakrament verkündet.
Wir sind also Katholiken, weil Christus selbst die Kirche gegründet hat, „damit sie die Wahrheit haben in Fülle“.
Auch diese Aussage finden wir der Sache nach im Neuen Testament: So bezeichnet Paulus die „Kirche des lebendigen Gottes“ als „Haus Gottes“ und als eine „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1 Tim 3,15).
Der hl. Apostel nennt die Christen sodann „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“, die auferbaut sind „auf der Grundlage der Apostel und Propheten, während Jesus Christus der Eckstein ist, in welchem der ganze Bau zusammengefügt ist zu einem heiligen Tempel im Herrn.“(Eph 2,19)
Aus diesen Worten geht hervor, daß Christus der Kirche vor allem zwei Aufgaben verliehen hat: sie soll als „Haus Gottes“ und „Tempel im Herrn“ die Wahrheit in Fülle verkünden und zugleich das Leben in Fülle vermitteln, also die Menschen durch „Wort und Sakrament“ zum Himmel führen.
Paulus bezeichnet die Apostel als „Diener Christi und Verwalter seiner Geheimnisse“ (1 Kor 4,1). Christus gab seinen Aposteln den Lehrauftrag: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.“ (Mk 16,15)
WORT und SAKRAMENT in ihrer HARMONIE
Dieser doppelte Auftrag in Wort und Sakrament wird allein in der kath. Kirche in seiner ganzen Vielfalt, Fülle und Harmonie wahrgenommen.
Während die protestantischen Konfessionen insgesamt gesehen sehr „wortlastig“ sind, ist die Orthodoxie genau das Gegenteil, gewissermaßen „sakramentenfixiert“.
Allein die kath. Kirche hält hier eine gesunde Mitte ein, getreu jener vom Heiligen Geist getragenen Vernunft und Einsicht, die Einseitiges und Extremes vermeidet.
Die „Wortlastigkeit“ des Protestantismus ist offensichtlich und in den reformierten Bekenntnissen, vor allem bei den Calvinisten, besonders ausgeprägt.
Hingegen haben die Lutheraner vergleichsweise mehr von der „sakramentalen“ Denkweise der kath. Kirche beibehalten. Immerhin vertrat Luther in der „Abendmahlsfrage“ – im Streit um die „Realpräsenz Christi“ – gegenüber Calvin und Zwingli einen Standpunkt, der dem katholischen Glauben relativ nahesteht. Auch die „Bilderstürmerei“ durch Reformierte bzw. „Wiedertäufer“ lehnte Luther ab.
Es handelt sich gleichwohl nur um graduelle Unterschiede innerhalb des Protestantismus. Im Wesentlichen ist man sich darin einig, daß es in erster Linie Aufgabe kirchlicher Vertreter sei, das Wort Gottes zu verkünden – die Sakramente dienen eher als Begleitmusik, gelten mit Ausnahme der Taufe als nicht heilsnotwendig, wobei sogar die Heilsnotwendigkeit der Taufe von einigen protestantischen Konfessionen bestritten wird (zB. Freikirchen, Baptisten, Mennoniten, Adventisten).
Die Orthodoxie hingegen vertritt genau das andere Extrem: Dort ist das kirchliche Leben weitgehend auf Gottesdienst und Sakramente konzentriert – man könnte inso-fern von einem „Sakristei-Christentum“ sprechen. Im orthodoxen Gottesdienst, der sich stundenlang hinziehen kann, fehlt normalerweise die Predigt, ebenso vermißt man Lesungen aus dem Alten Testament (die es nur ausnahmsweise gib).
Bezeichnenderweise gibt es in der Orthodoxie kein eigentliches, verbindliches „Dogmengebäude“, keine präzise, systematische, klarumrissene, „amtliche“ Glaubenslehre. (Insoweit ist es auch bezeichnend, daß die katholische „Scholastik“ abgelehnt wird – und das nicht nur deshalb, weil diese zeitlich erst nach der Abspaltung der Orthodoxie auftrat; vielmehr wird die Verstandesbetontheit der Scholastik kritisiert.)
Der orthodoxe Glaube wirkt weniger vernunftorientiert, er erscheint mitunter eher wie eine weihrauch-umschwängerte Mysterienreligion, geprägt von spirítuellen Weisheiten und geheimnisvollen Betrachtungen über das „geistliche Leben“ usw. – Im Vergleich zur Orthodoxie sind sselbst Protestanten mit ihren lehrhaften “Bekenntnisschriften“ strukturell noch stärker dogmatisch und systematisch orientiert.
Allein die kath. Kirche versteht es aber, erleuchtet vom Heiligen Geist, die beiden Grundpfeiler „Wort und Sakrament“ in ihrer ausgewogenen Bedeutung zu erkennen und zu gewichten.
So werden Einseitigkeiten vermieden, die ganze Wahrheit in ihrer Fülle präsentiert und zur Harmonie eines umfassenden (und daher eben „katholischen“) Glaubens geführt.
Von der KRIPPE über das KREUZ zur HERRLICHKEIT
Diese Ausgewogenheit der Wahrheiten zeigt die kath. Kirche auch auf einer anderen Ebene, nämlich in „heilsgeschichtlicher“ Hinsicht:
Während die lutherische Mentalität bekanntlich auf die „Kreuzestheologie“ fixiert ist (weshalb z.B. der Karfreitag für Evangelische der höchste kirchliche Feiertag ist), konzentriert sich die Orthodoxie auf eine „Theologie der Herrlichkeit“, stark bezogen auf Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten, auf die glorreichen Heilsgeheimnisse also.
Aus dieser Glaubensweise ergibt sich in spiritueller Hinsicht eine intensive Sehnsucht nach einer „Vergöttlichung“ des Menschen, was in manchen orthodoxen Werken derart stark betont wird, daß der Eindruck entstehen könnte, der grundlegende Abstand zwischen Gott und Mensch, der Abgrund zwischen Schöpfer und Geschöpf werde nicht mehr ausreichend beachtet, der Himmel gewissermaßen „vorweggenommen“. Aber hienieden wandeln wir eben im Glauben und durchaus nicht im Schauen, wie Paulus betont (2 Kor 5).
Allein die kath. Kirche knüpft hier wieder das Band der Harmonie: sie betont auch die „Inkarnations-Theologie“, also das Wunder der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.
Daher die hohe Bedeutung von Weihnachten, daher die Verehrung der Gottesmutter, daher die vielen Darstellungen der seligen Jungfrau mit dem Christuskind, daher auch die Innigkeit und Wärme einer gesunden katholischen Marienfrömmigkeit.
Nicht zu vergessen der „Angelus“, das Gebet vom „Engel des Herrn“, der Maria die Botschaft brachte, wobei fromme Katholiken das Knie beugen, wenn es im Angelus heißt: „Und das Wort ist Fleisch geworden – und hat unter uns gewohnt.“
Dasselbe geschieht beim „Großen Credo“ im überlieferten Ritus der hl. Messe: Beim Abschnitt „ER hat Fleisch angenommen vom Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau und ist Mensch geworden“ kniet sich die Christenschar hin, um das zentrale Heilsgeheimnis der Menschwerdung Gottes zu ehren.
Gleichwohl weiß auch die kath. Kirche die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung zu würdigen. Das Kreuzzeichen, das Freitagsgebot, das Kruzifix, der Kreuzweg und besonders das Meßopfer orientieren sich an Christi Opfertod auf Golgotha, Dreh- und Angelpunkt unserer Erlösung.
Auch von einer Vernachlässigung des Osterglaubens kann nicht die Rede sein, ist Ostern doch das höchste Fest im katholischen Kirchenjahr – und auch durch Sonntagsheiligung und Sonntagskirchgang feiern wir die Auferstehung des HERRN.
Ergebnis also: Allein die Katholische Kirche gibt allen drei heilsgeschichtlichen Stufen (Inkarnation, Kreuzestheologie, Auferstehung) den ihnen gebührenden Rang, verfällt in keine Übertreibungen, praktiziert keine Einseitigkeiten, sondern läßt auch hier alles in geordneter Harmonie an seinem richtigen Platz, verkündet und feiert die Heilsgeschichte in ihrer ganzen Vielfalt und Fülle von der Krippe über das Kreuz zur Herrlichkeit.
Von diesen drei Etappen der neutestamentlichen Heilsgeschichte zeugt auch der Rosenkranz, der einen betenden Bogen spannt von der Verkündigung des HERRN über Golgotha bis hin zur himmlischen Glorie.
Während die protestantische Glaubenswelt sehr christozentrisch orientiert ist gemäß dem reformatorischen Prinzip „Christus allein“ (solus Christus), ist die orthodoxe Spiritualität stark auf den Heiligen Geist bezogen, also pneumatisch geprägt. Das zeigt sich dort auch in der Liturgie, etwa bei der Epiklese, der Herabrufung des Heiligen Geistes vor der hl. Wandlung.
Merkwürdig ist allerdings, daß das Sakrament der Firmung bei den Orthodoxen meist an die Kindertaufe „drangehängt“ wird und dadurch viel an eigenständiger Bedeutung einbüßt.
Auch in der Anbetung der heiligsten Dreifaltigkeit verzichtet die Katholische Kirche auf einseitige Fixierungen; sie läßt die drei göttlichen Personen quasi alle zu ihrem Recht kommen, auch Gott-Vater, den Schöpfer und „Gesetzgeber“. Keine Konfession betont die Bedeutung der göttlichen Gebote so stark wie die Katholische Kirche. Dabei verweist sie auf das zeitlos gültige Wort des HERRN: „Willst Du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!“ (Mt 19,17)
Felizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Verlags und des Christoferuswerks in Münste