Von Felizitas Küble
Der Kirchort St. Martin in Illerberg gehört zur Gesamtpfarrei Vöhringen im bayerischen Bistum Augsburg. Nun wird mancher denken: Wer kennt schon Illerberg?
Weit gefehlt, denn in katholisch-charismatischen Kreisen ist diese Gemeinde überaus bekannt, schließlich wirkt dort seit Jahrzehnten ein „Heilungspriester“, wie man solche Geistliche gerne verheißungsvoll nennt.
Immerhin sind „Heilung“ und „Befreiung“ seit jeher zwei typische Zauberworte im schwärmerischen Spektrum.
Am „schönsten“ ist es doch, wenn zum Charismatischen das erscheinungsbewegte Element dazukommt – so auch bei Pfarrer Anthony Pullokaran aus Illerberg, denn er ist ein eifriger Anhänger von Medjugorje, weshalb seine Seminare gerne in Medjugorje-Zeitschriften beworben werden.
Aber auch das selbsternannte (kirchlich nicht anerkannte!) Exerzitienzentrum „Haus Raphael“ in Bad Soden-Salmünster arbeitet seit Jahrzehnten gut und gerne mit Pfr. Pullokaran zusammen.
Wen wunderts? Die Leiterin dieses charismatischen Hauses, eine Nonne namens Margaritha Valappila, stammt ebenso aus Kerala in Süd-Indien wie Pfr. Pullokaran, der bereits seit 1993 in Illerberg als Pfarrer tätig ist.
BILD: Buch „Jesus lebt heute“ von Sr. Valappila mit Kitsch-Titelbild
Die indische Region Kerala ist bereits seit den 70er Jahren stark von Pfingstbewegten aus den USA „heimgesucht“ worden; meist waren es zwar protestantische Freikirchler, die aber mit ihrer Charismatik vermehrt und verkehrt in katholische Gemeinden und Ordensgemeinschaften eindringen konnten.
Seit über 20 Jahren erhalte ich in zunehmendem Ausmaß Besuche und Anrufe von Geschädigten aus der charismatischen und esoterischen Szene. Auch heute sprach ich mit zwei Aussteigerinnen (einer katholischen und einer evangelischen Frau).
Durch diese Insider-Kontakte erhalte ich öfter konkrete Auskunft aus dem Innenleben der „Charismatischen Erneuerung“, darunter Hinweise über psychischen Druck und geistlichen Missbrauch in sog. „Heilungsseminaren“.
Kürzlich wies mich eine Betroffene darauf hin, daß es seitens des Bistums Augsburg eine kritische Überprüfung der Pullokaran-Exerzitien gäbe. Ich bin der Sache nachgegangen, wobei die Information bestätigt wurde – siehe hier: https://www.pg-voehringen.de/pfarreien/st-martin-illerberg/exerzitien
Auf dieser Homepage der Pfarrgemeinde Vöhringen-Illerberg wird sogar von Pfarrer Pullokaran selbst erklärt, die „Verantwortlichen des Bistums Augsburg“ hätten seit Mitte November 2019 „Kontakt“ mit ihm und „seinem Team“ aufgenommen.
Man wolle „einige offene Fragen klären“, heißt es weiter. Wer die kirchlich-diplomatische Sprachwelt versteht (zumal hier „in eigener Sache“), der weiß, was dieser Satz zu bedeuten hat. Vermutlich handelt es sich um eine Art Visitation oder einen ähnlichen Überprüfungsvorgang.
Er und sein ehrenamtlicher Mitarbeiteranhang – von ihm“Team“ genannt – werden von Seiten des bischöflichen Ordinariats auf eine „Fortbildung“ geschickt, wobei während dieser Zeit – außer für Ende Januar 2020 – keine Exerzitien in Illerberg stattfinden dürfen.
Weiter unten heißt es, bei den von Pfr. Pullokaran und seinem Laienkreis angebotenen Exerzitien gehe es „insbesondere um lebensgeschichtliche Verletzungen“, die in das „Licht der Liebe Gottes gestellt“ würden. Ach wie schön!
Leider wird nicht verraten, ob dazu auch die sogenannte, in charismatischen Kreisen so beliebte „Heilung der Vorfahrensschuld“ gehört. Nachdem kirchliche Amtsträger auf das Wort „Vorfahrensschuld“ mit Recht allergisch reagieren, haben sich Schwärmerbewegte einen anderen Ausdruck einfallen lassen , so daß man mittlerweile meist vertuschend von der „Heilung des Stammbaums“ oder einer „Familienheilung“ spricht….
Immer wieder aufschlußreich ist die Tatsache, daß zwar ständig von „Heilung“ und „Befreiung“ die Rede ist, doch mit den wirklich psychisch Kranken will man durchaus nichts zu tun haben. Sollen also die Gesunden „geheilt“ werden?